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Sebastian Caspary

Der Strohbär

Es lässt sich leider nicht mehr genau rekonstruieren, in welchem Jahr der Strohbär in Dienstweiler zum ersten Mal gebunden wurde. Fest steht jedoch, dass der Brauch in unserem Dorf seit über sechzig Jahren gepflegt wird. Am Morgen des Fastnachtsdienstags treffen sich dabei die Männer aus dem Dorf zum Wickeln der einzelnen 6-7 Meter langen Strohseile aus denen später der Strohbär entsteht. Dieser Vorgang dauert mehrere Stunden und findet auf dem Hof von Walter Finck statt, der auch das benötigte Stroh stiftet.

Am frühen Nachmittag wird der Strohbär dann gebunden. Nun steht die Person, die als Strohbär fungiert, im Mittelpunkt des Geschehens. In aufwändiger Arbeit werden die einzelnen Bänder um Beine, Oberkörper, Arme und Kopf gebunden, so dass eine massive Bärengestalt entsteht. Zum Schluss wird das obligatorische Stummelschwänzchen montiert und dem Bären eine massive Eisenkette umgehängt. Das Gesamtgewicht der Verkleidung beträgt ca. 40-50 KG. Das Binden dauert in etwa ein bis zwei Stunden.

Zum Strohbär gehört traditionell ein Strohbärenführer. Dessen Aufgabe ist es, den Bären zu zähmen und ihn an der Kette durchs Dorf zu führen. Begleitet wird dieses Gespann durch die Närrinnen und Narren von Dienstweiler, denn der Strohbärenumzug findet stets am Fastnachtsdienstag statt.

Während bis in die Neunzigerjahre hinein getrennte Umzüge für Kinder und Erwachsene durchgeführt wurden, ist es mittlerweile üblich, dass die gesamte Narrenschar bunt kostümiert gemeinsam durch das Dorf zieht. An jedem Haus wird dabei das folgende Liedchen angestimmt:

„Hahn, Äppelche, Hahn, die Faasenacht geht aahn. Gebt uuhs Eier orra Speck, sonschd geh mer net von der Dier eweg, Hahn, Äppelche, Hahn“.

So werden im Laufe des Umzugs ordentliche Mengen an Eiern, Speck, Süßigkeiten, Geld und natürlich Spirituosen gesammelt. Verweigert ein Haushalt die Herausgabe von kleinen Gaben, kommt es vor, dass der Strohbär samt Gefolgschaft das Haus stürmt um seine Rechte geltend zu machen.

Gegen Abend endet der Umzug im Gemeindehaus, wo in gemütlicher Runde Eier, Speck und Süßigkeiten verzehrt werden.

Etwas abseits wird währenddessen der Strohbär von seiner Last befreit. Schließlich verbrennt der Bärenführer das Strohgewand und der Zauber ist für ein Jahr vorüber.

Der Brauch hat wahrscheinlich etwas mit dem Ende des Winters zu tun. Er ist nur in sehr wenigen Hunsrückgemeinden verbreitet. Neben Dienstweiler zum Beispiel in Ruschberg. Dort wird der Brauch seit 1918 gepflegt. Wahrscheinlich ist der Brauch jedoch viel älter, denn Strohbären gibt es noch in der schwäbisch-alemannischen Fastnacht, wo ein ideengeschichtlicher Bezug zu der mittelalterlichen Figur des wilden Mannes besteht. In Deutschland wird die Strohvermummung in 200 Gemeinden praktiziert.

Die Art des Bindens sowie das Aussehen der Strohbären unterscheiden sich jedoch von Ort zu Ort.

Seit 1996 steckt Jörg Schneider im Bärenkostüm, Bärenführer ist Elmar Finck. Zuvor agierten unter anderem Karl-Ewald Heidrich (mit Bärenführer Norbert Bruch) und Heinz Tittel als Strohbär.